Rund 40.000 Briefe sind aus der Korrespondenz von Martin Buber mit seinen Zeitgenossen erhalten, doch bislang sind sie kaum zugänglich. Eine Förderzusage von Bund und Ländern soll dies nun ändern: Mit 9,2 Millionen Euro wird in den kommenden 24 Jahren ein Projekt der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur zur Digitalisierung und Kommentierung des wertvollen Nachlasses finanziert. Die Arbeitsstellen befinden sich an den Universitäten in Jena und Frankfurt/M., beteiligt sind außerdem die Boston University und die National Library of Israel.

Ein Leben im streitbaren Dialog digital zugänglich machen

Friedrich-Schiller-Universität Jena an langfristigem Projekt zu Martin Buber beteiligt

Korrespondenz von Kafka bis Gandhi

Der deutsch-jüdische Philosoph und Autor Martin Buber (1878-1965) stand zeitlebens in Kontakt mit Persönlichkeiten aus allen Bereichen des geistigen Lebens. Unter seinen Briefpartnern befanden sich Literaten wie Hermann Hesse, Arnold Zweig, Thomas Mann und Franz Kafka sowie Politiker wie Theodor Herzl, David Ben Gurion und Mahatma Gandhi. „Bubers Leben kann in seiner Gesamtheit als ,ein Leben im Dialog‘ definiert werden“, sagt Prof. Dr. Martin Leiner von der Universität Jena. Der Theologe und Versöhnungsforscher, der über Martin Buber und seine Rezeption in der Evangelischen Theologie habilitiert hat, leitet die Jenaer Arbeitsstelle des Projekts. Er weist darauf hin, dass Buber auch vor kontroversen Auseinandersetzungen nicht zurückscheute. Daher ist es umso wichtiger, diese Dialoge, die sich in Bubers Korrespondenz widerspiegeln, der Forschung und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dazu sollen die 40.000 Briefe von und an Buber – die sich insbesondere im Nachlass des Philosophen in Jerusalem, aber auch verstreut in Archiven weltweit befinden – als Faksimile digitalisiert, ein Großteil auch transkribiert, übersetzt und kommentiert werden.

Symbolbild (Inszeniertes Foto) -- Eine Frau betrachtet ein Foto des jüdischen Religionsphilosophen Martin Mordechai Buber (1878-1965) am Bildschirm eines Computers am 25.11.2020 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena in Jena. Foto: Jens Meyer/Universität Jena
Symbolbild (Inszeniertes Foto) — Eine Frau betrachtet ein Foto des jüdischen Religionsphilosophen Martin Mordechai Buber (1878-1965) am Bildschirm eines Computers am 25.11.2020 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena in Jena. Foto: Jens Meyer/Universität Jena

Versöhnung auf mehreren Ebenen

„Der Einsatz für eine Versöhnung auf mehreren Ebenen charakterisiert das ganze Leben Bubers. Unermüdlich hat der Philosoph in Theorie und Praxis angeknüpft, um das Gespräch zwischen Juden und Deutschen nach der Shoah wiederzueröffnen, genauso wie zwischen Israelis und Palästinensern – auch vor der Begründung des Staats Israels. Kaum ein Philosoph des 20. Jahrhunderts ist relevanter für Versöhnungsprozesse als Buber, der sich für Versöhnung sowohl im Nahostkonflikt als auch für Versöhnung mit Deutschland nach 1945 einsetzte“, betont Leiner das besondere Interesse an Buber. Schließlich leitet er das Zentrum für Versöhnungsforschung (Jena Center for Reconciliation Studies) an der Universität Jena.

Zur Stadt Jena hatte Buber ebenfalls Kontakt. So kam er 1924 an die Jenaer Volkshochschule, damals unter der Leitung von Wilhelm Flitner, zu einer mehrtägigen Veranstaltung zum Thema „Religion als Wirklichkeit“. Dabei kam Buber auch ins Gespräch mit einigen Zeiss-Mitarbeitern, was ihn so beeindruckt hat, dass er einen Bericht über seine Jenaer Begegnungen später seinem Werk „Gottesfinsternis“ (1953) als Vorrede voranstellte.

„Das Akademie-Projekt ist für die Universität Jena wichtig, weil hier der versöhnende Dialog im Mittelpunkt steht“, sagt der Präsident der Universität Jena Prof. Dr. Walter Rosenthal. Dies entspreche dem Leittbild der Universität und stärke ihren Forschungsschwerpunkt „Liberty“. Zudem füge es sich auch gut ein in die Aktivitäten der Jenaer Universität im Themenjahr „900 Jahre jüdisches Leben in Thüringen“.

Zentrum der Buberforschung

Für Jena soll das Editionsprojekt ein Kristallisationskern für Ausstellungen, Tagungen und weitere Forschungsprojekte sein, erläutert Prof. Leiner. Es soll Doktoranden nach Jena bringen und die Universität zu einem der Zentren der Buberforschung machen. Dafür sind im Vorhaben drei Editorenstellen sowie ein Promotionsstipendium vorgesehen. Jährliche Konferenzen sind ebenso geplant wie eine intensive Zusammenarbeit mit Forscherinnen und Forschern in Israel und den USA. Die Stellen sollen zeitnah ausgeschrieben werden, so dass die Arbeit im Frühjahr beginnen kann.

Das Projekt ist auf 24 Jahre ausgelegt und wird mit 9,2 Millionen Euro hälftig vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst finanziert. Jenas Kooperationspartner sind neben der Mainzer Akademie der Wissenschaften, Prof. Dr. Christian Wiese (Goethe-Universität Frankfurt/M.), Prof. Abigail Gilman (Boston University) und die National Library of Israel.

Info, FSU JENA // Axel Burchardt