FSU Jena: Neuer Blick auf die „ewige Weisheit“

Kritik an bisheriger Publikation erfordert neue Edition

Ausschnitt aus den Schriften des Mystikers Heinrich Seuse. (Foto: Stiftsbibliothek Einsiedeln)
Ausschnitt aus den Schriften des Mystikers Heinrich Seuse. (Foto: Stiftsbibliothek Einsiedeln)

Germanisten der Uni Jena erstellen hybride Edition der mittelalterlichen deutschen Schriften Heinrich Seuses

Beim Thema Deutsche Mystik fallen Namen wie Meister Eckhart oder Mechthild von Magdeburg. Auch Heinrich Seuse (um 1295/96-1366) gehört zu den größten und bedeutendsten deutschen Vertretern der Mystik des Mittelalters und theologischen Schriftstellern. Die letzte Edition seiner Werke erschien vor mehr als 100 Jahren. Heutigen Forschungsansprüchen genügt sie längst nicht mehr, da die Quellenbasis nur unvollständig berücksichtigt und die Werke nicht in ihrem Überlieferungszusammenhang betrachtet wurden. Es ist also an der Zeit, sich Heinrich Seuse mit einem modernen Ansatz zu widmen und eine Neuedition seiner umfangreichen Arbeiten vorzunehmen. Das hat sich das Team um Prof. Dr. Jens Haustein von der Friedrich-Schiller-Universität Jena vorgenommen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das jüngst gestartete Projekt für zwölf Jahre mit rund 3,8 Millionen Euro.

Kritik an bisheriger Publikation erfordert neue Edition

Der Dominikaner Seuse gilt als ein besonders einflussreicher Autor. „Die weite Verbreitung seiner Schriften im Mittelalter macht ihn zu einem ausgesprochen europäischen Mystiker. Allein das von ihm verfasste ‚Büchlein der ewigen Weisheit‘ war nicht nur sehr weit im deutschsprachigen Raum verbreitet, sondern wurde bereits früh auch ins Niederländische, Italienische, Spanische, Französische und Englische übersetzt“, erklärt Projektleiter Haustein die Bedeutung Seuses. Zudem gehörte er zum engsten Schülerkreis Meister Eckharts und war von dessen Mystik stark beeinflusst. „Unter anderem Seuse ist es zu verdanken, dass die mystische Lehre Eckharts in veränderter Form weiter überliefert wurde. Das macht ihn allein schon theologiegeschichtlich bedeutend – eine Neuedition seiner Schriften ist also längst überfällig“, ergänzt der Jenaer Germanist.

Die letzte Edition von 1907 umfasst nur einen Bruchteil der Gesamtüberlieferung. So hat der Herausgeber beispielsweise nur sieben Handschriften des ‚Büchleins der ewigen Weisheit‘, des wohl berühmtesten Werkes Seuses, aufgegriffen, obwohl ihm weit mehr bekannt waren. Heute liegen etwa 120 vollständige und 160 Teilhandschriften des Werkes vor. „Hinzu kommt, dass sich der Editor dabei – ganz im Stile der damaligen Zeit – vor allem auf die Autorfassung der Schriften konzentriert hat. Davon abweichende Versionen der Texte interessierten nicht.“ Doch gerade diese verraten viel über die Geschichte und verschiedenen Entwicklungsstufen der Texte. „Im Falle des Werkes Seuses ist dies besonders wichtig, da eine nicht geringe Anzahl an Versionen eines Textes durchaus unter der Autorschaft Seuses liefen“, betont Haustein. In einem Pilotprojekt fanden die Jenaer Germanisten bereits heraus, dass vom ‚Büchlein der ewigen Weisheit‘, mindestens zwei Redaktionen im Mittelalter im Umlauf waren – inhaltlich stark verschieden, zeitlich und räumlich aber gleich verbreitet.

Ausschnitt aus den Schriften des Mystikers Heinrich Seuse. (Foto: Stiftsbibliothek Einsiedeln)
Ausschnitt aus den Schriften des Mystikers Heinrich Seuse. (Foto: Stiftsbibliothek Einsiedeln)

Hybride Neuedition

Deshalb will Hausteins Team im Rahmen der Neuedition die gesamte bekannte Überlieferung berücksichtigen, unabhängig vom Kontext des sogenannten ‚Exemplars‘, das in der Forschung lange Zeit als von Seuse autorisierte Werkausgabe galt. Die Neuausgabe wird der wissenschaftlichen Seuse-Forschung eine ganz neue Textgrundlage bieten, mit deren Hilfe kontrovers diskutierte Probleme möglicherweise geklärt werden können – etwa die Frage, ob die ‚Vita‘ Seuses als Autobiographie des aus Süddeutschland stammenden Mystikers gelten kann.

Die Jenaer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen die deutschen Werke des Mystikers, darunter nicht nur die umfangreichen Schriften sondern auch Briefe und einige Predigten, in hybrider Form neu zugänglich machen. Zum einen planen sie eine gedruckte Neuausgabe, die als wissenschaftlich fundierter Referenztext für Forschungszwecke dienen soll. Zum anderen  soll die neue Edition digital frei zugänglich sein. „Auf der digitalen Editionsplattform ‚ediarum mediaevum‘ werden die Digitalisate der Handschriften, die Transkriptionen und die kritische Edition samt textkritischem Apparat und Kommentar  miteinander verknüpft, so dass der Nutzer die Vielschichtigkeit der Edition individuell nutzen kann“, erklärt Haustein das Vorhaben.

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Info, FSU Jena // Vivien Busse

Foto: Stiftsbibliothek Einsiedeln // FSU Jena