Im KZ Buchenwald kamen bis zum Jahr 1945 mehr als 56.000 von den Nationalsozialisten inhaftierte Menschen ums Leben. Trotz dieser grausamen Situation entstanden dort zahlreiche Kunstwerke, von denen heute knapp 1.000 bekannt sind. Um die darin enthaltenen Interpretationen der Lagererfahrung zu erforschen, wird sich die Kunsthistorikerin Ella Falldorf in ihrer Doktorarbeit intensiv mit der Lagerkunst auseinandersetzen. Für ihr Promotionsvorhaben an der Friedrich-Schiller-Universität Jena erhält sie ab 1. Oktober eine zweijährige Förderung in Höhe von 1.200 Euro monatlich durch die Ernst-Abbe-Stiftung.

Vergleichende Analyse der Lagerkunst

„Ich habe mich schon in meiner Masterarbeit mit dem Thema beschäftigt und bin sehr glücklich, dass ich jetzt mit der Promotion direkt daran anknüpfen kann“, freut sich die 26-Jährige über die Förderzusage. „Die Lagerkunst aus Buchenwald ist noch nicht umfassend erforscht und es existieren vor allem Studien zu einzelnen Künstlern. Mit meiner Arbeit will ich eine vergleichende Analyse durchführen und dabei auch Kunst aus anderen Konzentrationslagern mit einbeziehen.“

Um Traditionslinien, aber auch neue Darstellungsformen herauszuarbeiten, setzt Falldorf einen breiten Kunstbegriff voraus – schließlich ist die Lagerkunst vielgestaltig: Die Künstler besaßen nicht nur verschiedene Nationalitäten, Konfessionen und politische Einstellungen, sondern waren auch unterschiedlich gut ausgebildet. Unter ihnen befanden sich sowohl Autodidakten als auch ausgebildete Maler wie der niederländische Widerstandskämpfer Henri Pieck (1895-1972). Auf seinen Zeichnungen hielt Pieck die medizinischen Versuche einer Entwicklungsstation für Typhus-Impfstoffe fest. Er porträtierte auch zahlreiche Mitgefangene und dokumentierte Misshandlungen durch die SS.

Oft blieb nur Kohle und ein Blatt Papier

Aber nicht nur die Künstler selbst, sondern auch die Genres sind divers. Sie reichen von Porträts zur Exekution verurteilter Mithäftlinge über Darstellungen des Häftlingsalltags bis hin zu Illustrationen in Liedersammlungen. „Nur wenige Häftlinge waren überhaupt dazu in der Lage, Kunst zu schaffen“, sagt Falldorf. „Sie benötigten sowohl die Fähigkeiten als auch Verbindungen innerhalb der Häftlingsgesellschaft, um an die nötigen Materialien zu kommen. In Buchenwald konnte bisher noch kein Künstler ohne zumindest indirekte Kontakte zum internationalen Lagerwiderstand gefunden werden.“ Dennoch hatten die Häftlinge, wenn sie nicht im Auftrag der SS arbeiteten, oft nicht mehr zur Hand als ein Stück Kohle und die Rückseite eines gebrauchten Formulars. Um Platz zu sparen, fertigten sie viele Zeichnungen im kleinen Maßstab an.

Die Promotion bedeutet für Ella Falldorf eine Rückkehr an die Universität Jena. Sie studierte dort von 2012 bis 2016 Kunstgeschichte, Filmwissenschaft und Soziologie, bevor sie für ihren Master in „Holocaust Studies“ an die Universität Haifa in Israel ging. Wichtige Erkenntnisse sammelte sie dabei in einer Ausstellung über Kunstwerke von aus Frankreich deportierten Juden, an der sie mitwirkte. Jetzt will sie den künstlerischen Zeugnissen des KZ Buchenwald mit ihrer Promotion mehr Beachtung verschaffen. Zu diesem Zweck entwickelt sie außerdem eine digitale Datenbank der Kunstsammlung der Gedenkstätte Buchenwald, die sie schon bald fertigstellen will. „Mir gefällt die kunsthistorische Forschung, aber auch die Museumsarbeit reizt mich“, blickt Ella Falldorf in die Zukunft. „Die Promotion ist eine Chance für mich, beide Welten auch weiterhin zusammenzubringen.“

Info, FSU JENA

Fotografik, Foto der Stipendiatin Ella Falldorf (Quelle: Anne Günther/Universität Jena)